05.04.2022: Kontroverse Debatte um Ausbau der Spreestraße bei Vor-Ort-Begehung. Finanzierung weiter unklar. Beteiligte einigen sich auf Weiterführung der Gespräche

 

Auf Einladung des Oberlausitzer Naturschutzbundes (NABU) in Weißwasser kamen am Montag bei einer Begehung in der sensiblen Spreeaue bei Spreewitz (Landkreis Bautzen) Poliker:innen  von Landes- und Lokalebene zusammen. An dem Vor-Ort-Termin nahmen unter anderem die Landtagsabgeordnete Antonia Mertsching (Die LINKE), der Spreetaler Bürgermeister Manfred Heine (parteilos), der Jurist und Landratskandidat von SPD, Linke, Grüne Alex Theile (parteilos) und der Fraktionsvorsitzende der bündnisgrünen Kreistagsfraktion Bautzen Siegfried Kühn, der Mitarbeiter der kurzfristig verhinderten Landtagsabgeordneten Lucie Hammecke und Kreisvorsitzende von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Bautzen-Budyšin Jens Bitzka sowie einige Anwohner aus Spreetal teil. Auch Rebekka Schwarzbach von der Umweltgruppe Cottbus (Mitglied der GRÜNEN LIGA) - sowie Adrian Rinnert und Friederike Böttcher von dem lokalen Umweltbildungsverein „Eine Spinnerei“ begleiteten die Besichtigung. Hintergrund sind Pläne des Landkreises Bautzen für den Ausbau der „Spreestraße“ und mit einer riesigen Brücke durch die Spreeaue. Bei der Begehung fanden teilweise heftige Kontroversen statt.

 

Christian Hoffmann vom NABU bedauert, dass ein sachlicher Austausch an dem Tag kaum möglich war, da Bürgermeister Heine (Spreetal) immer wieder Redebeiträge von anderen Teilnehmern unterbrach. Die Beteiligten versuchten mehrfach den Bürgermeister zu beschwichtigen. Ganz erfolglos war das Zusammentreffen dennoch nicht. Nach etwa einer Stunde Austausch konnten sich alle Beteiligten auf Theiles Vorschlag einigen: Es soll unter der Verantwortung der Landtagsabgeordneten Antonia Mertsching zu einer Diskussionsveranstaltung in der Region eingeladen werden. Theile, der beruflich als Richter agiert, würde die Moderation übernehmen. „Als Termin hat sich der 28. April heraus kristallisiert“, sagte Mertsching im Nachgang. Interessenten können sich gerne unter kontakt@antonia-mertsching.de anmelden. An dem Tag sollen Umweltverbände, der Bürgermeister, Anwohner:innen, wie auch das Landratsamt Bautzen und Görlitz und Strukturwandelexperten einen neuen Anlauf eines Gespräches wagen. Jens Bitzka von den Bautzener Bündnisgrünen signalisierte, seine Partei würde einen solchen Austausch auch unterstützten. „Bei dem anberaumten gemeinsamen Gespräch wird es auch um das gegenseitige Verständnis zu den unterschiedlichen Vorstellungen über die Entwicklungen in der Lausitz angesichts der globalen Krisen gehen“, sagte Christian Hoffmann.

 

Bei der Begehung zeigte sich, dass bei der Frage um den Ausbau der Spreestraße hauptsächlich darum geht, ob man denn die zwei Kohlekraftwerkstandorte Schwarze Pumpe in Brandenburg und Boxberg in Sachsen in Zeiten des Kohleausstiegs durch eine neue Straße - samt riesiger Brücke über die Spree – überhaupt noch effizienter miteinander verbinden muss. Es räche sich, dass es kaum länder-, wie auch kreisübergreifende Konzepte für den Strukturwandel gebe, meinte Theile.  Aber es gab auch Aha-Momente. So verriet Bürgermeister Heine, dass es bereits Untersuchungen gab, die das Potential der vorhanden elektrifizierten Bahnverbindung zwischen den beiden Standorten betrachteten. Der Spreetaler Bürgermeister war überrascht, dass diese den Umweltverbänden nicht mitgeteilt wurden. Gemeinsam war man sich einig, dass derartige Informationen bekannt gemacht und in die Diskussion mit einbezogen werden müssen.

 

Jenseits der Diskussion vor Ort läuft derzeit auch noch das offizielle Planverfahren bei der Landesdirektion Sachsen in Dresden. Theile wies darauf hin, dass selbst wenn es im Planverfahren „Grünes Licht“ für das Vorhaben zwischen Neustadt/Spree und Spreewitz für etwa 20 Millionen Euro geben sollte, die Finanzierung noch unklar sei. Denn der Kreis Bautzen müsse die Straße bauen. Und ob genug Geld dafür da sei, könne man noch nicht sagen.  Auch wurde deutlich, dass man keine Bundesgelder nutzen kann: „Aus Strukturwandelmitteln wird nichts kommen können, denn die Richtlinien untersagen Geldmittel des Bundes für kreiseigene Straßenbauprojekte zu verwenden“, meinte die Strukturwandel-Expertin der LINKEN im Sächsischen Landtag Mertsching.

 

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Die Bilder können kostenfrei für die Berichterstattung verwendet werden. Quelle: ideengrün | markus pichlmaier

Diskussionsrunde bei Vor-Ort-Begehung in der Spreeaue

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Luftbild Spreeaue

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20.03.2022: Ist auch „Öko“ drin wenn es drauf steht?

 

Ein Ökokraftwerk mit 1 Terawatt Leistung im Jahr, ganz und gar aus erneuerbaren Energien erzeugt, im Herzen der Energieregion Lausitz, ist genau das richtige Signal in diesen Tagen. Genauso verständlich ist die Freude in Schleife über die in Aussicht gestellten Arbeitsplätze nach vollendeter Investition in das Gesamtprojekt mit vier Bausteinen.

 

Nach der Gigafactory in Grünheide nun also eine Terafactory bei Schleife? Der Vergleich scheint gar nicht weit hergeholt, wenn der Flächenverbrauch von 870 ha dafür herangezogen wird. Und hier liegt das Hauptproblem. Es soll eine Fläche von über 900 Fußballfeldern an bisher unzerschnittenem Wald und Heideland umgewandelt werden in ein Industriegebiet. Christian Hoffmann, Vorsitzender der NABU-Regionalgruppe in Weißwasser, wendet ein: „Dies widerspricht, entgegen dem ersten positiven Eindruck zu diesem Projekt, komplett den Zielen der Landesplanung, die Neuversiegelung zu verringern, den Wald zu mehren, und zugleich widerspricht es auch den Zielen des Klimaschutzes.“ Großflächige Waldgebiete sind der beste Garant für ein ausgeglichenes Regionalklima in Zeiten des Klimawandels. „Der Kiefern-Monokultur-Forst muss durch Waldumbau fit gemacht werden für den Klimawandel, damit er seine Funktion auch in Zukunft erfüllen kann.“ sagt Christian Hoffmann. Eine so große Waldfläche zu opfern sei hingegen völlig kontraproduktiv, zumal hunderte Hektar Wald nicht mal schnell in der Umgebung aufgeforstet werden können. Alternativ kann die Sonnenenergie ab der nächsten Förderperiode für die Landwirtschaft in Form der Agrifotovoltaik auch auf landwirtschaftlichen Flächen gewonnen werden, ohne einen Baum fällen zu müssen. Es wäre dann nicht mehr zu Bauland umzuwidmen. Dies dürfte die Fotovoltaik im genutzten Offenland deutlich attraktiver machen. Nicht zuletzt gibt es viele Dachflächen und Fassaden von privaten und gewerblichen Gebäuden, die sich für Solarstrom eignen und auch gefördert werden. Ein nicht ausgeschöpftes Potenzial aus „hundert Prozent Bürgerenergie“.

 

Richtig ist auch, dass im Planungsgebiet nur ein kleines Vorrang- und Eignungsgebiet für die Nutzung der Windenergie auf der westlichen Außenhalde durch die Regionalplanung vorgesehen wurde.1 Ein solches Eignungsgebiet wäre die Voraussetzung für eine Genehmigung. Nun hat die Bundesregierung ein 2-Prozent-Ziel der Gesamtfläche Deutschlands für die Errichtung von Windkraftanlagen ausgelobt. Derzeit sind es 0,8 % der Fläche. Dementsprechend könnte es notwendig werden, die Eignungskriterien anzupassen, um eine solche Flächenvergrößerung erreichen zu können. Fest steht jedoch weiterhin die Kompetenz bei der Regionalplanung um einem „Wildwuchs“ vorzubeugen.1 Zugleich erfordert es einen gesellschaftlicher Prozess und keinen Schnellschuss.

 

Gänzlich ungeeignet für die Unabhängigkeit von fossilen Energieträgern und als Mittel gegen den Klimawandelt ist die Nutzung von Holz.3 „In Deutschland haben wir keinen Holzüberschuss für unseren Energiehunger, zumal das Holz viel zu teuer und wertvoll ist, um es zu verheizen.“ stellt Christian Hoffman fest. Wie schon in den  bestehenden Holzverbrennungskraftwerken kommt das Holz häufig aus den Ländern östlich von Deutschland oder gar aus Übersee, wo tausende Quadratkilometer Wald abgeholzt werden, andererseits wird die industrielle Holzenergieproduktion subventioniert. Nur Holz als Baustoff bindet über sehr lange Zeit Kohlenstoff. Der Druck auf die langsam wachsenden Forst- und Waldökosysteme nimmt zu.2 Holz zu verbrennen kann also keine allgemeine Praxis für die Erzeugung unseres Stromes und unserer Wärme sein, sondern nur ein kleiner Baustein, eher für den privaten Bereich.

 

Verständlicherweise wünschen sich die Bürger von Schleife billige Energie, Versorgungssicherheit, Arbeitsplätze und die Gemeinde Gewerbesteuer-Einnahmen. Doch mit diesem „Deal“ geht es wieder auf Kosten der uns alle erhaltenden Umwelt und ist somit alles andere als „öko“ und „sozial“. „Spätestens jetzt müssen wir darüber diskutieren, wie wir in Zukunft leben dürfen, denn wir haben unser Konto längst überzogen. Die Natur kennt keinen Kredit oder Schuldenerlass, sondern nur die Trägheit des Ökosystems Erde, welches uns scheinbar noch Zeit gibt um katastrophale Auswirkungen des vom Menschen verursachten Klimawandels abzuwenden.“, so das Fazit von Christian Hoffmann.

 

 

 

1 Zweite Gesamtfortschreibung des Regionalplans für die Planungsregion Oberlausitz-Niederschlesien (Entwurf)

2 NABU-Studie des Frauenhofer-Instituts für angewandte Informationstechnik FIT


16.02.2022: Ausbaupläne für „Spreestraße“ durch Schutzgebiet in der Kritik. NABU: Sensible Spreeaue darf nicht für Brückenneubau geopfert werden

 

Die umstrittenen Pläne zum Neubau einer Brücke in der geschützten Spreeaue bei Spreewitz (Landkreis Bautzen) stoßen beim Oberlausitzer Naturschutzbund (NABU) in Weisswasser auf Widerstand. „Die Spreeaue darf nicht für unsinnige Straßenbauprojekte aus dem letzten Jahrhundert geopfert werden“, fordert Christian Hoffmann, Vorsitzender des NABU Weißwasser. Jetzt will der Spreetaler Bürgermeister Manfred Heine (parteilos) den Druck erhöhen. Aufgrund von anstehenden Sanierungsmaßnahmen an der B97 zwischen dem Kohlekraftwerk Schwarze Pumpe und Hoyerswerda müsse der Ausbau der Spreestraße als mögliche Alternative schneller gehen, meinte der Lokalbürgermeister Ende Januar.

 

 

 

„Was der Bürgermeister in Kauf nimmt, beim Ausbau der Spreestraße für den Schwerlastverkehr muss eine monströse Brücke durch ein Schutzgebiet neu errichtet werden“, kritisiert Hoffmann: „Der Schutz der Natur ist auch in Sachsen ein Staatsziel und kann nicht auf dem Basar der Wünsche von Bürgermeistern verramscht werden“.  

 

 

 

Laut den Plänen für den Ausbau der Spreestraße würde die Trasse in einem Abschnitt auch durch das nach europäischem Recht geschützte FFH-(„Flora-Fauna-Habitat“) Gebiet „Spreetal und Heiden zwischen Uhyst und Spremberg“ gehen. Zur Überquerung der Spree ist dafür eine etwa 500 Meter lange und bis zu 10 Meter hohe neue Brücke vorgesehen. „Der Bau der Brücke ist ein Eingriff in das Schutzgebiet und würde das Erhaltungsziel gefährden. Es handelt sich einerseits bei der betroffenen Aue um einen der schönsten Abschnitte des Spreeradweges. Andererseits würden seltene Tier- und Pflanzenarten entlang der neu zu bauenden Trasse ihren Lebensraum verlieren und ein bedeutendes Schutzgebiet zerschnitten“, sagt Hoffmann. Mit seiner bandförmigen Struktur sei das Schutzgebiet eine wichtige Verbindung zwischen dem südlich gelegenen Oberlausitzer Heide- und Teichgebiet und dem Spreewaldgebiet in Brandenburg. Das Gebiet ist Lebensraum für Arten wie die Mopsfledermaus oder den  Fischotter, so der Naturschützer. Über eine alte und sanierungsbedürfte Brücke kann das Gebiet weiterhin mit normalen Autos und Fahrrädern gequert werden. Für den Schwerlastverkehr sei die alte Spreebrücke bei Spreewitz allerdings gesperrt. „Statt hochtrabender Vorhaben noch mehr Schwerlastverkehr in die Region zu holen, sollte die Sanierung der alte Brücke für die Bevölkerung im Vordergrund stehen“, sagt Hoffmann.

 

 

 

Grundsätzlich gehört für den NABU das gesamte Projekt des Ausbaus der Spreestraße auf den Prüfstand: „Wer heute noch Betonstraßen für Schwerlastverkehr zwischen zwei Kohlekraftwerken bauen will, hat die Verkehrswende und die anstehende Klimaneutralität nicht verstanden“, mahnt Hoffmann. Aus Sicht des NABU wäre eine Konzentration auf den Ausbau des Schienenverkehrs wesentlich zukunftsträchtiger. „Die Kraftwerkstandorte sind bereits heute durch eine gut ausgebaute elektrifizierte zweigleisige Bahnstrecke verbunden, auf der derzeit noch Braunkohle in Waggons transportiert wird. Mit einem absehbaren Kohleausstieg wird diese Strecke frei werden“, meint Hoffmann. Ein weiterer Vorteil bei der Nutzung der Kohlebahn des Bergbaubetreibers wäre die Möglichkeit eines guten Anschlusses an das europäische Güterverkehrsnetz „Neue Seidenstraße“, das Europa mit Asien verbindet.

 

 

 

„Wir werden jetzt an die Politik herantreten um für unser Anliegen zu werben“, kündigt der Vorsitzende des NABU Weisswasser an. 

Weitere Informationen
LR: 25. Januar 2022: Darum pocht Spreetal weiter auf den Millionenbau Spreestraße
https://www.lr-online.de/lausitz/hoyerswerda/sanierung-b97_-verkehr_-strassenbau-darum-pocht-spreetal-weiter-auf-den-millionenbau-spreestrasse-62252709.html

 

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Die Bilder können kostenfrei im Zusammenhang mit der Pressemitteilung kostenfrei verwendet werden. Quelle: ideengrün | markus pichlmaier

Luftbild: Gefährdete Spreeaue bei Spreewitz. Brücke mitten durch das Schutzgebiet geplant https://www.ideengruen.de/images/portfolio/spreeaue_0123.jpg

Christian Hoffmann (NABU) besichtigt gefährdete Uralt-Bäume in der Spreeaue link https://www.ideengruen.de/images/portfolio/spreeaue_1041.jpg